Ich bin der Alazhar.
Meinen Namen habe ich aus einer orientalischen Geschichte. Der
Märchenprinz in dieser Erzählung hiess eben Alazhar. Lästermäuler
behaupten, Prinz sei ich schon, aber kein Märchen-, sondern eher ein
Zigeunerprinz. Unter uns gesagt: Zigeunerprinz wäre meine wirkliche
Berufung, wenn ich denn könnte, wie ich wollte ..... Mein Rufname
ist Amadou und dann habe ich noch einige Kosenamen, die sind aber
alle samt und sonder nicht Öffentlichkeitstauglich.
Am 28. Dezember 2005 wurde ich von Albert und Christiana bei Sabine
und Mathias in Oberbayern abgeholt: 10-wöchig jung, klein,
süss, putzig, niedlich, drollig, einfach
knufflig. Alle meine elf Geschwister waren schon in ihren neuen
Wirkungskreis umgezogen. Nur ich, ich musste noch über Weihnachten
in Oberpolling bleiben, weil sich Albert geschäftlich in China
herumtrieb. Im tiefsten Winter nahmen wir die knapp 500 Kilometer
lange Rückreise mit einem stotternden Auto, Schneegestöber, Sturm
und Eisglätte unter die Räder. Nachdem ich mir die Zeit mit einem
getrockneten Rinderohr vertrieben hatte, verschlief ich allerdings
das meiste von den sehr interessanten Strassenverhältnissen.
Christiana sagt jeweils, wenn nicht Albert den ganzen Rückweg
gefahren wäre, würden wir jetzt noch unterwegs sein.
Und so zogen zwei ruhige, beschauliche Jahre ins Lande. Mein Leben
verlief in geordneten Bahnen. Während dieser Zeit war ich nicht nur
Prinz, sondern Kaiser. Ich besuchte mit grosser Freude die
Welpenschule, mit weniger Ehrgeiz Erziehungskurse und jetzt immer
noch mit grossem Elan die Hundeschule für Fortgeschrittene. Manchmal
stelle ich meine Ohren auf Durchzug und bin etwas stur, aber Albert
mit seiner Engelsgeduld richtet es meistens wieder gerade. In
unserer Hundeschule sind ich und Albert, unter den vielen vier- und
zweibeinigen Frauen, selbstverständlich Hahn im Korb.
Und dann kam er, der einschneidenste Tag in meinem bisherigen
Leonberger Leben. Von einem Tag auf den andern war urplötzlich alles
anders, aus war es mit der Ruhe und Gemütlichkeit. Am 20. Oktober
2007 ist die Räubertochter, resp. der Stresskeks Sharin bei uns
eingezogen. Fertig war’s mit der Prinzenrolle, seither bin ich
höchstens noch Kronenanwärter. In der ersten Zeit habe ich
selbstverständlich, ganz Gentleman, die Beschützerrolle übernommen.

Alazhar und Sharinchen (November 2007)
Sharin wurde jedoch sehr rasch selbständig und ich wurde in die
Vorbildrolle hinein katapultiert. Eigentlich meisterte ich diese
Aufgabe ziemlich gut. Ich meine es natürlich immer richtig. Nur
Sharin interpretiert es manchmal falsch. Ich und sie sind in jeder
Beziehung ein Dream-Team. Unschlagbar ist zum Beispiel Sharins
geniale Schnüffelnase. Ich kann mich noch so sehr anstrengen und die
Knochen sorgfältig im Garten verbuddeln. Es dauert jeweils nur kurze
Zeit und sie bringt meine gehorteten Schätze wieder ans Tageslicht.
Theoretisch habe ich die Hosen an, aber Sharin sagt jeweils, welche
Farbe die Hose hat.

Typisch: Ich liege am Boden und Sharin thront auf
mir.
(März 2008)
Als ich noch jung und klein war habe ich vielen lustigen und weniger
lustigen Unsinn angestellt, richtig kreativ war ich damals noch:
Zum Beispiel habe ich mich mit Hingabe und grossem Eifer im Dezember
2006 der Weihnachtsdekoration vor dem Haus angenommen. Die
Weihnachtsdeko bestand aus einer Unmenge von Paketen in
verschiedensten Grössen. Ich habe mir gedacht, ich beginne mal mit
der Auspackerei und gucke nach, ob vielleicht eines für mich gedacht
sei. Hätte ja sein können. Eine Riesenarbeit war das gewesen. Ich
fand jedoch in den Paketen nur Steine, Styropor und Steinwolle. Das
war eine schöne Bescherung: Da sass ich nun, mitten in einem Haufen
von Schachteln, Verpackungsmaterial, Geschenkpapier und Bändeln und
habe nichts brauchbares für mich gefunden. Christiana hat nur
trocken gemeint, ich sei viel zu früh mit dem Pakete öffnen, der
zweite Advent sei noch nicht einmal vorbei. Sie hat das Zeugs aber
nicht noch einmal verpackt, sondern den ganzen Kram mit dem Müll
entsorgt.
Oder, in der Scheune habe ich die vakuumverpackten Futtersäcke für
unsere Langohren mit den Zähnchen ein wenig angepickst. Es hat so
schön gezischt, als die Luft langsam hinausströmte.
Oder, meine Feinmotorik habe ich trainiert, in dem ich die hölzernen
Stecketiketten aus Christianas Englischen Rosen entfernt habe (auf
den Etiketten waren die Rosensorten notiert). Eine Heidenarbeit ist
es für uns gewesen: Ich habe tagsüber die Etiketten entfernt und
Christiana hat sie am Abend wieder hineingesteckt. Mit der Zeit
hatte sie aber den Überblick nicht mehr so richtig und sie hat alle
Etiketten selbst entfernt.
Oder, wie die meisten Leos liebe ich es im Wasser herumzutümpeln.
Unser Garten-Biotop wurde theoretisch zur hundefreien Zone erklärt.
Mindestens einmal im Jahr gehen aber die Gäule mit mir durch und ich
springe aus lauter Lebensfreude trotzdem hinein. Auch der Zaun kann
mich davon nicht abhalten.
Unter anderem habe ich aber auch schon eine richtig gute Heldentat
vollbracht. Im Wald habe ich ein ausgesetztes, junges Kätzchen
gefunden. Als ich das Miauen hörte, habe ich mich einfach nicht mehr
von der Stelle gerührt, bis wir nachgeschaut hatten, was das den
jetzt schon wieder war. Christiana hat mit dem Kopf gewackelt und
gesagt, sie wisse nicht, ob das funktioniert, ein unbekanntes
Kätzchen einzufangen. Ich bin dann mit dem Auto nach Hause gerast,
resp. Christiana ist gefahren, um die Katzentransportbox zu holen.
Während der Einfangaktion musste ich dummerweise zu Hause bleiben.
Aber schon nach kurzer Zeit kam sie mit dem Kätzchen zurück. Die
Einfangaktion war einfacher gewesen, als zu Anfang befürchtet.
Vielfach an den Wochenenden brauchen ich und Albert etwas Abstand
von der Weiberwirtschaft und dann ist ein Männerprogramm angesagt,
Albert fällt immer etwas ein. Bei diesen Ausflügen lässt mir mein
zweibeiniger Freund ziemlich viele Freiheiten. Manchmal dürfen wir
auch gar nicht alles erzählen, was wir wieder erlebt haben. Dumm
gelaufen ist es zum Beispiel, als heraus kam, dass ich von einer
Brücke hinunter in den eiskalten Bach abgestürzt bin. Das ist am 1.
Januar 2008 gewesen, kein guter Start ins neue Hundejahr. Abgestürzt
bin ich schon einige Male, ab und zu bin ich schon etwas ein
Bruchpilot. Meine Nase folgt feinen Gerüchen und ich vergesse dabei,
dass ich eigentlich meine vier Beine auch noch koordinieren müsste.
Aber da ich auf Ausflügen immer ein Brustgeschirr trage, gingen die
Vorfälle glimpflich aus. Auch Ausstellungen müssen wir Beide
scheinbar ab und zu absolvieren, aber das ist nicht so richtig unser
Ding – zuwenig Action.
Weil Hundeernährung ein Steckenpferd von Christiana ist, werden wir
kulinarisch ziemlich sehr verwöhnt. Wir sind richtige kleine
Gourmets. Am Vormittag bekommen wir ein hochwertiges Trockenfutter
(ohne Getreide). Meistens haben wir Glück und es wird geschmacklich
noch ein wenig aufgepeppt zum Beispiel mit Thunfisch, Mozzarella,
Eigelb, Himbeerjoghurt usw. Am Abend ist Rohfütterung angesagt. Für
Insider: Wir sind Mini-BARFer. Diese Mahlzeit wird von uns nicht
gefressen, sondern inhaliert. Das meiste Grünzeug und die Beeren
kommen aus Christianas Gemüsegarten, nur das Anpflanzen von Bananen
klappt immer noch nicht. Leider, leider dürfen wir nicht auf die
Jagt und uns das Frischfleisch selbst besorgen. Beim Thema Jagt
verstehen unsere Zweibeiner überhaupt keinen Spass und sie werden
unserer Ansicht nach unverhältnismässig streng.
Im letzten Sommer habe ich etwas neues entdeckt: Wenn nicht gerade
ein Action-Programm angesagt ist, liege ich auf meinem neuen
Lieblingsplatz. Er befindet sich leicht erhöht, auf einer Wiese,
unter einem Birnbaum. Von diesem strategischen Punkt aus habe ich
meine ganze kleine, heile Welt im Überblick: Meine Frauen, das
Hofgelände, die Strasse, die abendliche Heimkehr von Albert und
einen Teil unseres Weilers. Auf gut deutsch: Von hier aus habe ich
alles für mich im Leben wichtige im Griff.
Seit ein paar Monaten habe ich eine weitere Marotte, resp. wir sind
uns noch nicht so sicher, ob es sich um Altersweisheit oder
–sturheit handelt. Am Morgen stehe ich aus Prinzip erst auf, wenn
ich zu 100 Prozent überzeugt bin, dass nun Abmarsch zur
Morgenwanderung ist. Ich bleibe liegen, auch wenn ich bis 10.00 Uhr
warten muss. Christiana sagt, ich sei kein Hund, sondern wie ein
Huhn: Am Abend nicht ins Bett und am morgen nicht aus den Federn.
Gesundheitlich geht es mir bis zum heutigen Tage ausgezeichnet, aber
man tut ja auch etwas dafür. Ich bin noch nie ernsthaft krank
gewesen. Ausgenommen, Ende Oktober 2007, bin ich an Zwingerhusten
erkrankt. Das war nicht gut terminiert gewesen, denn sieben Tage
vorher ist Sharin als Welpe bei uns eingezogen. Ich mit
Zwingerhusten, Sharin mit einem noch nicht vollständig ausgebildeten
Immunsystem – das ist gar nicht supiiiii gewesen.
4. April 2010
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